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Der Tag als mir meine Bilder nicht mehr gefielen

Alles neu macht der Mai – zumindest die Bildkomposition

Neulich im Mai habe ich mal wieder ein Plateau verlassen. Kennst du das auch? Du bist ganz lange auf dem gleichen Level und dann auf einmal, obwohl gar nicht viel passiert ist, machst du einen Sprung nach vorn.

So auch bei mir. Ich dachte ich wäre fast fertig mit den Bildern – es fehlen nur noch ein paar. Und dann? Komme ich ein wenig aus dem Rhythmus, lasse die Bilder drei Monate liegen und als ich sie wieder zur Hand nehme denke ich: ‚Was zur Hölle ist das denn? Die sehen ja alle irgendwie nur halbfertig aus. Und viele gefallen mir eigentlich gar nicht. Was hab ich mir bloß dabei gedacht?‘

Also alles zurück und nochmal die alten Bilder überarbeiten. Stichwort: Bildkomposition.

Oder soll ich nicht mal endlich einen Strich ziehen und sagen ‚Fertig, jetzt wird koloriert und dann endlich veröffentlicht?‘. Nun ja, würde ich gerne, weil ich natürlich auch einen ewigen Korrekturkreislauf vermeiden will und man den Perfektionisten bekämpfen muss, wo es nur geht.

Aber schauen wir uns das Bild erstmal an, welches meinen Ärger besonders erregt hatte. Das zentrale Bild des ersten Kapitels, welches ich immer für eines der besseren Bilder gehalten habe:


Eine schlechte Bildkomposition. Es gibt keinen starken Vordergrund.

So sah die Bildkomposition ursprünglich aus.


Soweit so gut? Naja eigentlich nicht, ich frage mich nämlich bei fast allen Bildern des letzten Jahres, warum ich so statisch gezeichnet habe?

Kein Esprit – Die Bildkomposition nicht zu Ende gedacht

Ich habe bei diesen Bildern oft das Gefühl, dass die Atmosphäre nicht stimmt und das Bild gar nicht lebt. Alles steht nur rum und die beiden Hauptfiguren sind auch noch von hinten gezeichnet. Dadurch ist man nicht so richtig im Bild drin finde ich. Und dafür, dass hier grade herzhaft gebaut und gewerkelt wurde, sieht es sehr steril aus – ein Hammer, ein paar Nägel, mehr zeugt nicht vom Bauprozess.

Auch habe ich mir im Vorfeld gar nicht so richtig überlegt, wie der Garten und das Drumherum eigentlich aussieht. Klar, vieles entsteht erst beim Zeichnen, aber grade dann sollte man überarbeiten – überarbeiten und überarbeiten und nicht zu schnell finalisieren. Den Baum und vor allem das Efeu habe ich z.B. ohne Referenz gezeichnet und ich finde, dass er dadurch nicht lebendig und echt wirkt.

Und was mir auch nicht an der Bildkomposition gefällt: Selbst, wenn die Rakete sehr groß ist, die linke Seite des Bildes ist schwerer, das Bild ist nicht ausgeglichen und kippt quasi nach links.

Schuster bleib bei deinen Leisten – oder keine Experimente

Und ich habe bei allen Bildern eine Technik ausprobiert, die ich vorher noch nie verwendet habe und die mir irgendwie auch nicht lag. Mit Tinte und Feder zeichnen.

Ich muss zugeben, dass habe ich auf dem Künstlerblog der amerikanischen Kinderbuch-Illustratorin Brooke Boynton-Hughes gelesen und wollte Ihr natürlich nacheifern, da ich gar keine Ahnung hatte, wie die Profis so ihre Bilder vorbereiten – ich hatte bis dato ja nur mit Bleistift und Finelinern und DIN A4 Papier Erfahrung. Na gut, ein paarmal war auch DIN A3 dabei, aber das spielt keine Rolle.

Ich hatte also keine Ahnung, wie groß so ein Papier am Anfang sein müsste, welche Dicke man braucht. Und ich bin auch nicht der Typ, der sich hinsetzt und verschiedene Papiere austestet. Dafür hatte ich viel zu sehr Bock, dass es endlich voran geht.

Brooke zeichnet also Ihre Entwürfe mit Feder und Tinte nach. Auf Aquarellpapier. Das konnte ich doch auch mal probieren.

Ich hab also den Entwurf auf mein Lichtbrett gelegt, mit Bleistift auf Aquarellpapier durchgezeichnet und anschließend getuscht. Schlechte Idee. Ich konnte mit dieser Technik nicht locker aus dem Handgelenk zeichnen und war sehr verkrampft, was man den Linien und den zwei Tintenflecken ansieht. Dadurch wollte ich die Bilder auch schnell beenden und hatte gar nicht die Muße, noch stundenlang an der Detailarbeit zu sitzen.

(Un-) nötiger Zeitdruck

Zu guter Letzt war der selbstgemachte Zeitdruck – nämlich pro Woche ein Bild fertigzustellen – dafür verantwortlich, dass viele der Bilder eigentlich nur halbfertig sind. Versteh mich nicht falsch, ich denke, dass man einen Zeitplan braucht, sonst dümpelt man ewig vor sich hin, aber in meinem Fall war er etwas zu radikal. Ich bin eben kein Vollzeitprofi, der 7 Stunden täglich zeichnen kann und dessen Workflows sitzen.

Zum Beispiel musste ich erst noch lernen zu erkennen, ab wann ein Bild fertig ist und was noch fehlt. Jetzt hänge ich ein Bild erstmal zwei Wochen lang auf und laufe täglich dran vorbei und jedes Mal, wenn mir eine komische Proportion oder eine schlechte Perspektive oder sonst etwas auffällt schreibe ich es an das Bild.

Und dann nach zwei Wochen überarbeite ich es. Man kann in der Zeit dann schon mal ein anderes Bild anfangen und so an mehreren Bildern gleichzeitig arbeiten.

Was also zu ändern wäre

Folgende Dinge müssen dringend geändert werden:

  1. Platz für den Text lassen. Es soll zwar nicht viel Text sein, aber im alten Bild war dafür zu wenig vorgesehen.

  2. Lebendigere Darstellung. Was heißt das überhaupt? Nun. Weg von der statischen Darstellung. Das ganze soll wie eine Szene wirken, die tatsächlich stattgefunden hat und wo ich nur zufällig grade anwesend war, um sie zu zeichnen. Und nicht so ein mageres Etwas.

  3. Hauptcharaktere sichtbarer. Wenn sie von hinten gezeichnet sind, geht die komplette Emotion flöten. Man kann gar nicht erkennen, wie sie sich in diesem Moment fühlen und muss es dann wieder im Text beschreiben. Eine Unart, die ich gerne vermeiden will.

  4. Fineliner benutzen. Keine Experimente mehr mit Tusche und Feder, ab jetzt werden wieder die alten Fineliner ausgegraben, bzw. neue gekauft. 🙂


Baum knorriger, mehr Elemente im Bild, Hauptcharaktere und Rakete überarbeitet.


Schritt 1: Wie Du siehst sind eigentlich nur die Katze und die Sonnenblumen verschont geblieben, der Rest wurde generalüberholt. Es kamen ein paar Tiere im Vordergrund hinzu, der Baum wurde knorriger und die Rakete in der Perspektive korrigiert.


Bildkomposition noch immer nicht optimal. Es gibt noch immer keinen starken Vordergrund.

Efeu am Baum, Sonnenblumen wurden üppiger


Schritt 2: Nach zwei Wochen dran vorbeilaufen und täglich drüberschauen, habe ich die Sonnenblumen erweitert und dem Knirps eine ausladende Handbewegung verpasst, aber so ganz zufrieden war ich noch immer nicht.

Was macht eigentlich eine gute Bildkomposition aus? Ein starker Hintergrund, eine starke Mitte und ein starker Vordergrund. Das macht das Bild interessant und führt das Auge des Betrachters in die richtige Richtung. Zum Kern der Bildstory. Und was fehlt meinem Bild? Ganz klar der starke Vordergrund.

Ganz klar den Vordergrund vergessen

Schritt 3: Ich überarbeitete also noch einmal den kompletten Vordergrund, indem ein paar schöne Malven links und rechts das Bild rahmen, ich die Mäuse und Käfer größer machte und noch mehr Werkzeuge, Baumaterialien und eine Leiter einfügte.

Und hier das fertige Bild, mit dem ich sehr zufrieden bin – die Bildkomposition wirkt ausgeglichen, keine Seite ist stärker gewichtet (den Hintergrund, den Vordergrund sowie den Fokus auf das Zentrum werde ich dann mit der Farbgebung verstärken):


Jetzt ist die Bildkomposition gut. Tiere im Vordergrund und Blumen rahmen das Bild ein.

Mehr Details im Vordergrund, Mäuse und Käfer größer, mehr Baustelle


Und hier die beiden nochmal das Ausgangsbild und die Überarbeitung im direkten Vergleich:


Vergleich der beiden Bildkompostionen

Vergleich der beiden Bildkompostionen vor (links) und nach der Überarbeitung (rechts)


Was denkst Du. Hat sich die Überarbeitung des Bildes gelohnt? Stimmt die Bildkomposition? Oder wäre ich auch mit dem ersten Bild schon gut gefahren? Und wie sieht’s bei Dir aus? Hast Du alle drei Ebenen der Bildkomposition bedacht oder vergisst Du auch regelmäßig den Vordergrund?

Viele Grüße, Niels

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